Moritz - Eine grosse Liebe zu einem Pferd

 

Jetzt muss ich gut in meinen Erinnerungen kramen um die Geschichte erzählen zu können. Und diese Erinnerungen sind wunderschön aber auch sehr schmerzlich -da ich ihn noch immer so sehr vermisse-

 

Teil 1

 

Der Sommer 2000 war geprägt durch den grenzüberschreitenden Truckerstreik. Die Grenzen wurden blockiert durch hunderte Trucker mit ihren Fahrzeugen. Keiner kam mehr mit seinem Auto aus der Garage raus. Da wir im Grenzgebiet wohnten, bescherte uns das ein paar freie Tage. Wie das Schicksal so spielt, konnten wir die ersten Tage im Leben von Moritz hautnah miterleben. Mitten auf einer grossen Wiese plumpste er aus ca. einem Meter Höhe mitten in sein Pferdeleben. Schon am nächsten Tag gab er Gas auf der Wiese und war so neugierig, dass er zusammen mit seiner Mutter Scala an den Zaun kam um zu schmusen. Das war unser erster Kontakt. 

Einmal Blut geleckt besuchten wir die beiden jeden Tag.

Letztendlich brauchten wir nur noch auf zwei Fingern zu pfeifen und schon wusste Moritz wer da war. Der Herzensbrecher hatte es meinen Kindern und besonders mir so richtig angetan.

 

Eines Abends im August kam mein Sohn nach Hause und wusste zu berichten, dass der Kaltblutnachwuchs zu verkaufen war. Das konnte ich mir nun gar nicht mehr vorstellen. Ein Leben ohne Moritz. Hinzu kam, dass die Hengste die keinen neuen Besitzer finden würden, nach Beendigung der Wiesensaison in die "Wurst" kämen.

 

Mein Moritz in fremde Hände oder sogar zum Schlachthof!!!

Mein Lebtag nicht. Ich musste mir dringend etwas einfallen lassen. Und wie Eingangs schon beschrieben wurde mein bestes Stück 40 Jahre alt. Und das war die Lösung!!

 

Gedacht getan. Ich wurde mit dem Bauern einig und nun hatte ich ein Ardenner Hengstfohlen an der Backe. 

 

Die Zeit verging und Moritz wurde von seiner Mutter "abgesetzt". Hartes Brot für den Kleinen. In den ersten Tagen seines "Erwachsenenlebens" verbrachte ich viele Stunden bei ihm, um ihn in seinem Alleinsein zu trösten. Lenkte ihn mit Leckerchen und Schmusen ab und machte meine ersten Kaltblutfohlen-Putzversuche. Das waren für mich emotional sehr intensive Tage und die schweißten uns zusammen.

 

Und dann wurde es Zeit Moritz zu holen.

 

PRIORITÄT 1:

Wohin damit. Zu Hause hatten wir keinen Platz. Ein Unterstellplatz musste her. Ich wurde fündig in unmittelbarer Nachbarschaft. Ein passionierter älterer Reiter besaß einen Stall mit Reithalle, die er nur für seine beiden Warmblutwallache nutzte. Er war als äusserst schwierig bekannt, ließ sich aber überreden ein Kaltblutfohlen zu beherbergen. Wir bekamen eine Box und konnten auch die Halle nutzen. Uff erste Hürde bewältigt.

 

PRIORITÄT 2:

Das "Männchen" sollte natürlich auch eine Wiese zum Auslauf bekommen. Ein unbebautes Grundstück eines Nachbarn bot sich an. Netterweise durfte ich dieses dann pachten. 

Zusammen mit den Kindern der gesamten Nachbarschaft wurde die Wiese dann eingerüstet mit Weidepfählen und Litze und umfunktionierten Gürteln, die als Halteschlaufe für Holzbalken dienten. Ich glaube die exklusivste Halteschlaufe überhaupt war ein Escada-Gürtel aus der Sammlung meiner Tante. Mir war nichts zu teuer :-)))) Uff zweites Problem auch gelöst.

 

Zusammen mit meinen besten Freunden Horst und Renate, die mich -glaube ich- in dieser Zeit für total verrückt hielten -obwohl selbst passionierte Pferdefreunde und Reiter, wurde Moritz dann Anfang Oktober zum ersten mal verladen und in sein neues zu Hause gebracht. Und ich dachte, nun ist die Überraschung für mein Geburtstagskind perfekt.

 

Und dann passierte eine kleine Katastrophe:

Der Eigentümer des Grundstücks, das ich als Wiese nutzen wollte, kam drei Tage vor Ernsts Geburtstag bei uns vorbei, um zu fragen, ob mit der Pacht alles in Ordnung ginge. Leider war ich nicht zu Hause und er hat Ernst angetroffen. Nun hatte dieser Lunte gerochen. Netterweise hat er mir die Überraschung nicht verdorben und nichts gesagt. Aber von diesem Tage an ging ihm die "Lackflasche". Sich mit dem Gedanken anzufreunden, der Besitzer eines kleinen Kaltbluthengstes zu werden, bereitete ihm schlaflose Nächte.

 

 

Währenddessen fieberte ich dem Geburtstag von Ernst entgegen. Ich hatte ein Fotoalbum angelegt mit einem kleinen Vorstellungsschreiben -verfasst von Moritz- und hoffte das alles gut werden würde.

Und dann kam der grosse Tag. Morgens nach dem Frühstück habe ich Ernst die Augen verbunden, ihn in mein Auto verfrachtet und bin Richtung Stall gefahren. Da stand er nun, der kleine Moritz, mit einer dicken roten Schleife um den Hals, und wartete auf seinen neuen Besitzer. Der war mindestens genau so nervös wie Ernst.

Nachdem Ernst die Augenbinde abnehmen durfte, herrschte erst einmal Sprachlosigkeit. Und mir rutschte das Herz in die Hose. Was tun wenn er sagt: Dieses Geschenk will ich nicht???

Aber er war tapfer und hat es nicht gesagt. Hat den kleinen Mann in seinen Arm genommen und das war der Beginn einer besonderen Freundschaft zwischen einem Motorradfahrer mit einem kleinen Faible für schwere Pferde und einem Kaltbluthengst :-)))

Unser Leben änderte sich um 180 Grad. Auf einmal war da ein Lebewesen was versorgt und ausgebildet werden wollte. Früh von seiner Mutter abgesetzt, musste ein Fohlen speziell aufgezogen werden. Der Vermieter des Stalles war zwar ein schwieriger Typ. Aber er hatte immerhin mehr Ahnung als wir. Und so konnten wir sehr viel Lernen über den Umgang, die Pflege und die Fütterung. Um das Ganze zu toppen waren wir auch noch Selbstversorger. 

Das hieß morgens, mittags und abends antreten und Moritz versorgen.

 

Ehe wir da mal einen Rhythmus hatten, mussten wir uns ganz schön anstrengen. Und ich glaube -nein ich weiß es-  in dieser ersten Zeit hat Ernst mich häufig verflucht. So ähnlich wie : "Wie konnte sie mir so etwas antun. Mir eine solch grosse Verantwortung aufzuladen. Ich will doch eigentlich nur Motorrad fahren und die Pferde auf der Wiese betrachten." Und Recht hatte er. Es war schon ziemlich egoistisch von mir gewesen. Für ihn war es eine grosse Einschränkung und sein eigentliches Hobby geriet mächtig ins Hintertreffen.

 

Nach einer turbulenten Anfangsphase kamen wir allerdings schnell zu der Ansicht, dass Moritz ein aussergewöhnliches Pferdchen war und sich alle Mühe gab, sich in unserer Familie zu recht zu finden. Wir unternahmen ausgedehnte Spaziergänge mit der ganzen Familie. Moritz ließ sich wie ein Hund an der Leine führen und ging brav mit. Schon bald waren wir im weiteren Umkreis gut bekannt. Wir wurden im Wald von anderen Spaziergängern schnell begrüßt mit : "Aaaah da kommt ja der Moritz." Auch unser damaliger Schäferhund Gaston hatte seinen Spaß bei diesen Ausflügen und schloss schnell Freundschaft mit ihm.